Interview mit Franz Fayot im Luxemburger Wort

"Bin kein Freund von Ankündigungen, die sich nicht umsetzen lassen"

Interview: Luxemburger Wort (Marco Meng)

Luxemburger Wort: Franz Fayot, was von dem, das Sie sich als Wirtschaftsminister vorgenommen hatten, haben Sie erreicht?

Franz Fayot: Von Anfang an war für mich sehr wichtig, dass die Dringlichkeit rund um den Klimawandel ins Zentrum der Wirtschaftspolitik rückt und auch ernst genommen wird. Ich habe immer Politik gemacht mit der Idee von Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit sowie der Umweltverträglichkeit der Wirtschaft.

Seit meinem Amtsantritt sind wir auf diesem Weg ein ganzes Stück weitergekommen. Und das zusätzlich zu der ganzen Krisenbewältigung, die wir nebenher noch zu meistern hatten: Pandemie, Krieg in der Ukraine, Energiekrise, Inflation und die ganzen geopolitischen Veränderungen, die gravierend sind.

Luxemburger Wort: Nun endet ihre erste Amtszeit - wollen Sie überhaupt eine zweite Amtszeit als Wirtschaftsminister?

Franz Fayot: Ja, absolut. Das ist ein sehr spannendes Ressort, wo man sehr viel umsetzen kann.

Ich denke, dass ich in einer zweiten Amtszeit auch die Sachen, die ich angefangen habe, weiter konkretisieren kann. Wir müssen die Umgestaltung unserer Wirtschaft hin zu mehr Nachhaltigkeit fortsetzen. Das begann während der Pandemie mit den staatlichen Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft wie der Neistart-Regelung zur Ankurbelung nachhaltiger Investitionen.

Hinzu kamen Infrastrukturprojekte wie der "HE:AL"-Campus in Esch/Alzette, die Einrichtung eines Space-Campus auf Kockelscheuer oder das Projekt "Green Valley". Das wird alles in der nächsten Legislaturperiode umgesetzt.

Was den technologischen und ökologischen Übergang anbelangt, so verweise ich auf unsere Strategien zur langfristigen Entwicklung der Wirtschaft, die wir gezielt umsetzen, wie die 2021 vorgestellte Roadmap "Ons Wirtschaft vu muer”, unseren Fahrplan zur Unterstützung der Kreislaufwirtschaft oder zur "Sharing economy" und die auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Raumfahrtstrategie für den Zeitraum bis 2027. Diese ökologische Ausrichtung der Wirtschaft möchte ich weiter begleiten, und in diesem Rahmen will ich neue Unternehmen nach Luxemburg holen als neue Diversifizierungspolitik unserer Wirtschaft.

Luxemburger Wort: Ihr Vorgänger hatte viele Projekte angekündigt. Manche haben sich bewahrheitet, andere nicht. Sie halten sich mit Ankündigungen und Großprojekten zurück. Will keine namhafte Firma mehr nach Luxemburg?

Franz Fayot: Einerseits muss man natürlich feststellen, dass wir direkt nach meinem Amtsantritt im Februar 2020 eine Pandemie hatten. Da stand zuerst einmal die Konsolidierung und Stabilisierung der hier ansässigen Betriebe im Mittelpunkt, insbesondere der Erhalt der Arbeitsplätze. Im Anschluss an die Covid-Krise hatten wir kriegsbedingt die Energie-und eine Inflationskrise, gekoppelt mit steigenden Zinsen. Das ist ein kompliziertes Umfeld mit vielen Unsicherheiten und hohen Energiekosten. In diesem Wirtschaftsklima ist es schwierig, neue Unternehmen, besonders Industriebetriebe, anzusiedeln.

Ich bin auch kein Freund von großen Ankündigungen, die sich dann doch nicht umsetzen lassen. Deshalb haben wir auch den Kompatibilitätscheck eingeführt, um sicherzugehen, dass wenn wir ein neues Unternehmen überzeugen, nach Luxemburg zu kommen, keine Alarmglocken angehen. Die zuständigen Ministerien und Verwaltungen überprüfen schon im Vorfeld, inwieweit das betroffene Unternehmen diverse Richtlinien in punkto Wasser- und Energieverbrauch oder Emissionswerte beachtet.

Wir haben aber auch sehr viele Betriebe in Luxemburg, die schon lange hier sind und durchaus in letzter Zeit viel investiert und expandiert haben. Ich denke da an den Autozulieferer Cebi in Steinsel, EuroComposites in Echternach, Guardian in Käerjeng und Goodyears neue "Factory of the Future" in Düdelingen. Auch ArcelorMittal hat Investitionen von mehr als 100 Millionen Euro für die grüne Stahlproduktion in Luxemburg angekündigt und zum Teil schon umgesetzt.

Diese Unternehmen rüsten sich für die Zukunft und konsolidieren so den Industrie-und Wirtschaftsstandort Luxemburg. Aber wir haben auch einige spannende Unternehmen, die am Standort Luxemburg Interesse haben, beispielsweise aus dem Bereich Elektromobilität. Sobald das spruchreif ist, wird das auch kommuniziert.

Luxemburger Wort: Derzeit ist viel von Fachkräftemangel die Rede. Gleichzeitig fordern manche eine Arbeitszeitverkürzung. Wie sehen Sie das?

Franz Fayot: Die Diskussion um den Fachkräftemangel ist natürlich komplex. Einerseits hat es damit zu tun, dass wir in Luxemburg ganz einfach nicht genug Fachkräfte wie Ingenieure oder Informatiker ausbilden, die wir in unserer Wirtschaft jedoch brauchen. Da müssen wir dran arbeiten. Das tun wir auch.

Dann locken wir eine ganze Reihe von hoch qualifizierten Fachkräften aus dem Ausland nach Luxemburg, insbesondere aus der Großregion. Da ist dann die Frage: Wie groß ist dieses Reservoir und wie lange kann man das noch machen? Wie viel mehr müssen diese Fachkräfte hier verdienen, damit es noch attraktiv ist, in Luxemburg zu arbeiten?

Im Hochtechnologiebereich ziehen wir Leute aus der ganzen Welt an, weil wir da etwas aufbauen, was ziemlich einzigartig ist.

Arbeitszeitreduktion ist da ein Reizthema, erst recht, wenn es an Arbeitskräften mangelt. Arbeitszeitverkürzung kann durchaus auch ein Attraktivitätsfaktor sein, genau wie das Homeoffice. Vor allem jüngere Arbeitnehmer arbeiten, um zu leben, und wollen nicht leben, um zu arbeiten. Das ist vielleicht auch ein Sinneswandel gegenüber unserer Generation.

Das alles wird zusätzlich mit fortschreitender Automatisierung und mit künstlicher Intelligenz zur konkreten Frage. Es gibt bereits Unternehmen, welche mit Erfolg die Vier-Tage-Woche testen. Es hängt aber sehr stark von der Branche ab, das kann man nicht überall umsetzen, insbesondere nicht in kleinen Unternehmen. Generell muss man die Diskussion über Arbeitszeitverkürzung differenzierter führen, aber nicht gleich von vornherein abwürgen.

Luxemburger Wort: Die Unternehmen sagen, überlasst das uns, weil es von Betrieb zu Betrieb anders, weil die Personalstruktur anders ist und das Geschäft ist anders.

Franz Fayot: Das ist richtig. Besonders in kleinen Strukturen ist es oft eine Frage der Flexibilisierung und des Dialogs innerhalb des Unternehmens. Undifferenziert und von oben herab kann man nicht jedem Wirtschaftsbereich eine Arbeitszeitverkürzung aufzwingen. Man sollte das differenziert angehen.

Luxemburger Wort: Es gibt hier 500 Start-ups. Manche von ihnen klagen, dass es schwierig ist, Investoren zu finden oder Geld zu leihen oder überhaupt auch ein Bankkonto zu eröffnen.

Franz Fayot: Ja, das mit dem Bankkonto ist eine Sorge, die real ist, weil manche Banken aus Rentabilitätsgründen für kleine Unternehmen keine Konten mehr eröffnen. Deshalb habe ich auch Post Luxembourg aufgefordert, da einzugreifen und kleinen Betrieben und auch Start-ups ein Konto zu eröffnen, auch wenn es für das Postunternehmen nicht so rentabel ist. Und die machen das auch. Das zweite ist die Frage der Finanzmittel, was überall in Europa ein Thema ist.

Wir haben in Luxemburg einige Finanzierungsarten geschaffen, insbesondere zur Deckung des Kapitalbedarfes in der Frühphase der Unternehmensentwicklung. Zusammen mit Luxinnovation haben wir 2015 mit Fit-4-Start ein Beschleunigungsprogramm für luxemburgische und internationale Start-up-Unternehmen aufgelegt, das sehr erfolgreich ist. Ich habe kürzlich eine Roadmap vorgestellt, wie junge und innovative Unternehmen auch beim Wachsen unterstützt werden können. Zusammen mit dem Finanzministerium schaffen wir auch steuerliche Anreize für Venture Capital, das heißt, dass Investoren steuerlich begünstigt werden, wenn sie in Start-ups investieren.

Insgesamt haben wir hier in Luxemburg eine gut entwickelte Startup-Szene. Auch als Hub für Start-ups sind wir ein sehr interessanter Standort, um von hier aus auf den europäischen Markt zu expandieren.

Luxemburger Wort: Ein Problem, das Sie "geerbt" haben, ist das Stahlwerk in Düdelingen, das Liberty Steel gekauft hat, ehe der Konzern finanziell ins Straucheln geriet. Gibt es da Neues?

Franz Fayot: Ja, die Sache mit Liberty Steel kriselt schon seit März 2021. Die letzte Episode dieser Geschichte ist, dass jetzt in Lüttich ein Gerichtsurteil Liberty Steel das Eigentum der Anlage zurückgegeben hat und ein Invest von 20 Millionen Euro durch die wallonische Wirtschaftsförderungsgesellschaft angekündigt wurde. Zu diesem Plan gehört auch das Werk Düdelingen, das von der Gewerbeaufsicht ITM stillgelegt wurde, bis diverse Auflagen erfüllt sind. Die Gehälter werden bezahlt, aber es wird nichts mehr produziert, und das ist natürlich ein Problem.

Für mich ist klar, dass die Luxemburger Regierung und die öffentliche Hand nichts mehr in Liberty Steel investiert und wir abwarten, ob diese Auflagen der ITM erfüllt werden und die Produktion wieder aufgenommen wird.

Luxemburger Wort: Macht ihnen Sorge, dass wegen der hohen Kreditkosten Unternehmen zurückhaltend bei Investitionen sind?

Franz Fayot: Ja, natürlich macht mir das Sorgen. Das ist kein Umfeld, das positiv ist für Investitionen.

Das Wirtschaftsbarometer der Handelskammer zeigte nichtsdestotrotz, dass die Unternehmen auf lange Sicht zuversichtlich sind.

Und das gibt mir dann wiederum Vertrauen, dass wir diese grüne und digitale Transformation sowie die Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft meistern werden.

Mit dem Umfeld, das wir schaffen, wie mit dem Aufbau eines neuen Energiemarktes in Europa und in Luxemburg, sind wir auf einem guten Weg.

Aber es ist jetzt eine schwierige Phase, die es zu überbrücken gilt und wo es jetzt darum geht, weiter an unseren Infrastrukturen zu arbeiten. Ich denke da insbesondere an die digitale Infrastruktur, die wir in Luxemburg aufbauen, um mit künstlicher Intelligenz, Supercomputer und einem Cloud-Ökosystem und unserer Strategie zur Entwicklung einer nationalen Datenwirtschaft fit für die Zukunft zu sein und als Standort attraktiv für Unternehmen zu bleiben.

Luxemburger Wort: Das wäre Ihre Aufgabe in einer zweiten Amtszeit?

Franz Fayot: Ja, ich bin überzeugt und auch optimistisch, dass der Umbau unserer Gesellschaft hin zu Klimaneutralität und auch zur Erhaltung der Biodiversität funktioniert. Die Einsicht ist da, dass wir so nicht weitermachen können mit der althergebrachten Linearwirtschaft oder Wegwerfwirtschaft mit hohem Ressourcenverbrauch.

Für Luxemburg ist das sehr interessant, weil die Kreislaufwirtschaft, die Berücksichtigung der Nachhaltigkeit in allen Phasen einer Wertschöpfungskette, ein Businesscase an sich darstellt.

Wir können das national zu einer eigenständigen und zukunftsweisenden Branche ausbauen: die Idee der Nachhaltigkeit betrifft alle Bereiche, sei es Gesundheit, Industrie, Ernährung oder Finanzen - und das alles mithilfe von Digitalisierung und künstlicher Intelligenz. Wenn wir uns fit machen dafür, denke ich, dass wir daraus wirklich ein Alleinstellungsmerkmal für Luxemburg erstellen können. Und das wäre für mich eine wirklich spannende Aufgabe für eine zweite Amtszeit.

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